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Vera bringt 500 Paare zusammen
Die Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen hilft Menschen, denen ein vorzeitiger Abbruch der Lehre droht. Der Rohrer Hans-Dieter Mechler ist ehrenamtlicher Koordinator bei Vera in der Region Stuttgart.
Rohr - Hans-Dieter Mechler kann sich noch gut an diesen Fall erinnern: „Ein junger Mann hat immer gesagt, er hätte den Stoff doch in der Schule schon gelernt, was soll er denn noch tun?“, erzählt Mechler. „Er hatte so Angst vor der Prüfung, ist aber gar nicht auf die Idee gekommen, in seiner Freizeit die Unterlagen noch einmal anzuschauen.“ Um Menschen wie diese kümmern sich Hans-Dieter Mechler und rund 140 Senioren in der Region Stuttgart. Sie sind Teil der Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (Vera). Die Ehrenamtlichen beraten Auszubildende, die Probleme in der Berufsschule, im Betrieb oder im privaten Umfeld haben.
„Ich bin recht stolz zurzeit“, sagt Mechler mit einem Grinsen. Denn kürzlich hat er das fünfhundertste Team zusammengebracht. Seine Aufgabe als Koordinator ist es, einen passenden Betreuer zu finden, wenn ein Auszubildender um Begleitung bittet. Die Berater sind Senioren, die den jungen Menschen einen Teil ihrer Lebenserfahrung mit auf den Weg geben können.
Der Bedarf für das Projekt ist da: Rund 25 Prozent der Ausbildungsverträge in Deutschland werden vorzeitig aufgelöst. Diese Zahl stammt vom Senior Experten Service (SES). Der SES hat die Initiative Vera im Jahr 2008 gegründet. In Baden-Württemberg ist das Projekt erst im Jahr 2010 bekannt geworden, als Hans-Dieter Mechler sein Ehrenamt antrat. Die SES hat ihn beauftragt, Vera in der Region vorzustellen, weil er bei seiner Feier zum 65. Geburtstag gesagt habe, dass er etwas Ehrenamtliches mit jungen Menschen machen möchte, wenn er im Ruhestand ist. „Vera gibt es bundesweit, es war nur hier nicht bekannt“, erklärt der pensionierte Direktor, „ich bin damit zuerst an die Presse gegangen, aber ohne erste Erfolge schreiben die nichts.“ An den Berufsschulen und in ausbildenden Unternehmen hatte er mehr Erfolg. Bis heute sind 514 Anfragen bei dem Rohrer eingetrudelt.
Wer Schwierigkeiten in der Ausbildung hat, egal ob in der Schule oder im Betrieb, kann sich bei Vera anmelden. Die jungen Menschen treffen sich mit ihrem Berater auf neutralem Boden. „Nicht, dass da die Mutter streng um die Ecke guckt“, erklärt Mechler. Die Auszubildenden dürfen nicht nur mit beruflichen Problemen zu den Senioren kommen. „Wir geben auch ein bisschen Lebenshilfe. Manche wissen gar nicht, wie sie jeden Morgen zur Arbeit kommen sollen, dann besorgen wir zusammen eine Fahrkarte“, sagt Mechler, „das kommt vor allem bei Flüchtlingen vor.“ Flüchtlingen, die in Deutschland eine Ausbildung beginnen wollen, rät Mechler eine Begleitung durch Vera von Beginn an. „Manche Betreuungen erstrecken sich über die vollen drei Jahre der Lehrzeit“, sagt er.
Mechler selbst hat zwar keine Zeit, Auszubildende zu beraten, er erfährt aber trotzdem oft von den Erfolgen seiner Kollegen. „Die meisten haben sich gefangen und ihr Verhalten geändert“, sagt Mechler. In der Region Stuttgart hat Vera laut Mechler eine Erfolgsquote von über 80 Prozent. Die Probleme der Auszubildenden seien vielfältig. Manchmal kämen die Schwierigkeiten von der mangelnden sozialen Kompetenz der jungen Menschen, oft gebe es auch Probleme im Betrieb oder in der Berufsschule. Eine Auszubildende im Gastronomiebereich zum Beispiel habe regelmäßig bis in die Nacht arbeiten müssen, obwohl sie am nächsten Tag in die Schule gehen musste. „Ich habe bei ihrem Chef angerufen und der hat lange gebraucht, bis er gesagt hat, dass es nicht mehr vorkommen wird“, erzählt Mechler.
Die Ehrenamtlichen, die die Auszubildenden betreuen, sollten im Seniorenalter sein. Mechler versteht, warum. Sein Großvater sei immer für ihn da gewesen und habe seine Lebenserfahrungen an ihn weitergeben können. „Heute sehen die Opas ihren Auftrag anders“, sagt Mechler. In vielen Familien sei es so, dass die Großeltern nur ein paarmal im Monat zu Besuch kommen. „Wir bei Vera sind die Opas von früher“, sagt er. Von älteren Menschen würden die Auszubildenden nämlich eher einen Rat annehmen und ihnen glauben, wenn sie sagen, dass sie bereits Ähnliches erlebt hätten.
Kontakt: Wer Schwierigkeiten in der Ausbildung hat und sich gerne mit einem Betreuer von Vera treffen möchte, kann sich bei Hans-Dieter Mechler melden. Außerdem dürfen sich auch interessierte Senioren als Berater melden. Mechler ist erreichbar unter der Telefonnummer 0171/8 22 99 23 oder per E-Mail unter H.undD.ME@t-online.de. Berater bekommen eine monatliche Aufwandsentschädigung von 50 Euro. Die Initiative wird vom Senior Experten Service getragen.
Von Jacqueline Fritsch, Stuttgarter Nachrichten 06. März 2017
Rohr - Hans-Dieter Mechler kann sich noch gut an diesen Fall erinnern: „Ein junger Mann hat immer gesagt, er hätte den Stoff doch in der Schule schon gelernt, was soll er denn noch tun?“, erzählt Mechler. „Er hatte so Angst vor der Prüfung, ist aber gar nicht auf die Idee gekommen, in seiner Freizeit die Unterlagen noch einmal anzuschauen.“ Um Menschen wie diese kümmern sich Hans-Dieter Mechler und rund 140 Senioren in der Region Stuttgart. Sie sind Teil der Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen (Vera). Die Ehrenamtlichen beraten Auszubildende, die Probleme in der Berufsschule, im Betrieb oder im privaten Umfeld haben.
„Ich bin recht stolz zurzeit“, sagt Mechler mit einem Grinsen. Denn kürzlich hat er das fünfhundertste Team zusammengebracht. Seine Aufgabe als Koordinator ist es, einen passenden Betreuer zu finden, wenn ein Auszubildender um Begleitung bittet. Die Berater sind Senioren, die den jungen Menschen einen Teil ihrer Lebenserfahrung mit auf den Weg geben können.
Vera hilft nicht nur bei beruflichen Fragen
Der Bedarf für das Projekt ist da: Rund 25 Prozent der Ausbildungsverträge in Deutschland werden vorzeitig aufgelöst. Diese Zahl stammt vom Senior Experten Service (SES). Der SES hat die Initiative Vera im Jahr 2008 gegründet. In Baden-Württemberg ist das Projekt erst im Jahr 2010 bekannt geworden, als Hans-Dieter Mechler sein Ehrenamt antrat. Die SES hat ihn beauftragt, Vera in der Region vorzustellen, weil er bei seiner Feier zum 65. Geburtstag gesagt habe, dass er etwas Ehrenamtliches mit jungen Menschen machen möchte, wenn er im Ruhestand ist. „Vera gibt es bundesweit, es war nur hier nicht bekannt“, erklärt der pensionierte Direktor, „ich bin damit zuerst an die Presse gegangen, aber ohne erste Erfolge schreiben die nichts.“ An den Berufsschulen und in ausbildenden Unternehmen hatte er mehr Erfolg. Bis heute sind 514 Anfragen bei dem Rohrer eingetrudelt.
Wer Schwierigkeiten in der Ausbildung hat, egal ob in der Schule oder im Betrieb, kann sich bei Vera anmelden. Die jungen Menschen treffen sich mit ihrem Berater auf neutralem Boden. „Nicht, dass da die Mutter streng um die Ecke guckt“, erklärt Mechler. Die Auszubildenden dürfen nicht nur mit beruflichen Problemen zu den Senioren kommen. „Wir geben auch ein bisschen Lebenshilfe. Manche wissen gar nicht, wie sie jeden Morgen zur Arbeit kommen sollen, dann besorgen wir zusammen eine Fahrkarte“, sagt Mechler, „das kommt vor allem bei Flüchtlingen vor.“ Flüchtlingen, die in Deutschland eine Ausbildung beginnen wollen, rät Mechler eine Begleitung durch Vera von Beginn an. „Manche Betreuungen erstrecken sich über die vollen drei Jahre der Lehrzeit“, sagt er.
„Wir sind die Opas von früher“
Mechler selbst hat zwar keine Zeit, Auszubildende zu beraten, er erfährt aber trotzdem oft von den Erfolgen seiner Kollegen. „Die meisten haben sich gefangen und ihr Verhalten geändert“, sagt Mechler. In der Region Stuttgart hat Vera laut Mechler eine Erfolgsquote von über 80 Prozent. Die Probleme der Auszubildenden seien vielfältig. Manchmal kämen die Schwierigkeiten von der mangelnden sozialen Kompetenz der jungen Menschen, oft gebe es auch Probleme im Betrieb oder in der Berufsschule. Eine Auszubildende im Gastronomiebereich zum Beispiel habe regelmäßig bis in die Nacht arbeiten müssen, obwohl sie am nächsten Tag in die Schule gehen musste. „Ich habe bei ihrem Chef angerufen und der hat lange gebraucht, bis er gesagt hat, dass es nicht mehr vorkommen wird“, erzählt Mechler.
Die Ehrenamtlichen, die die Auszubildenden betreuen, sollten im Seniorenalter sein. Mechler versteht, warum. Sein Großvater sei immer für ihn da gewesen und habe seine Lebenserfahrungen an ihn weitergeben können. „Heute sehen die Opas ihren Auftrag anders“, sagt Mechler. In vielen Familien sei es so, dass die Großeltern nur ein paarmal im Monat zu Besuch kommen. „Wir bei Vera sind die Opas von früher“, sagt er. Von älteren Menschen würden die Auszubildenden nämlich eher einen Rat annehmen und ihnen glauben, wenn sie sagen, dass sie bereits Ähnliches erlebt hätten.
Kontakt: Wer Schwierigkeiten in der Ausbildung hat und sich gerne mit einem Betreuer von Vera treffen möchte, kann sich bei Hans-Dieter Mechler melden. Außerdem dürfen sich auch interessierte Senioren als Berater melden. Mechler ist erreichbar unter der Telefonnummer 0171/8 22 99 23 oder per E-Mail unter H.undD.ME@t-online.de. Berater bekommen eine monatliche Aufwandsentschädigung von 50 Euro. Die Initiative wird vom Senior Experten Service getragen.
Von Jacqueline Fritsch, Stuttgarter Nachrichten 06. März 2017